Der Löli
So heisst eine Anhöhe zwischen Reiden und Reidermoos. In der Zeit als die Gegend von Reiden wegen Sumpf und Ried noch wenig von Menschen besiedelt war, wohl aber das höhergelegen Reidermoos, kroch eine furchtbare Seuche über das Land, der Schwarze Tod. Die Leute starben nicht selten auf der Strasse und auf dem Feld, so plötzlich wurden sie von der Krankheit überfallen und getötet.
Im Reidermoos erschien ein Wagen, geleitet von seltsam gekleideten Männern. Diese luden Leichen, die sonst niemand anzurühren oder zu beerdigen wagte, auf den Wagen und fuhren damit über die nahe Anhöhe nach Reiden zu. Da lag ein toter Bauer am Wege. Und einer der Männer sagte grob: „Da liegt noch so ein Löli! Den nehmen wir auf der nächsten Fuhr mit".
Seitdem heisst diese Gegend Löli und eine saubere Strasse verbindet heute Reidermoos und Reiden, das ein stattliches Dorf geworden ist.
Aber es ist auf dem Löli seit jener Pest nicht mehr ganz geheuer. Wenn ein Mensch um die Mitternächtliche Stunde dort hinüber geht erscheint plötzlich ein riesiger Mann, legt dem verspäteten Heimgänger zwei Finger an die rechte Schläfe und verschwindet lautlos wieder. Von diesem Augenblick an ist der Berührte gezeichnet, indem er nun zeitlebens zwei rote Fingerabdrücke an der rechten Schläfe herumtragen muss und von allen Leuten mit Misstrauen angesehen wird. Ist es eine Jungfrau, so hat sie die grösste Mühe zu heiraten. Und wenn sie Kinder kriegt, so sind diese wiederum von Geburt an gezeichnet am gleichen Orte, und zwar so lange, bis sie eine Wallfahrt nach einer heiligen Stätte unternimmt, wo ihr die Mutter Gottes erscheint.
Pestleichen werden in Massengräbern verscharrt