Grundsteinlegung der Evangelisch-Reformierte Kirche Reiden 26. September 1937

Die Grundstein der reformierten Kirche am vergangenen Sonntag in Reiden gestaltete sich zu einer imposante Kundgebung, an der die gesamte Bevölkerung von Reiden und Umgebung starken Anteil nahm, und damit in toleranter Weise Sympathie bekundete. Auch die Natur schien diesen Freudentag mitzufeiern, erstrahlte doch der Himmel wieder einmal im herrlichsten Sonnenglanze. Mit der Erstellung einer eigenen Kirche geht ein sehnlicher Wunsch der reformierten Glaubensgenossen seiner Erfüllung entgegen. Bis jetzt musste der Gottesdienst im Gemeindesaale des Schulhauses Reiden abgehalten werden. Mit der wachsenden Zahl der Kirchgenossen, heute zirka 1100 Seelen, wurden diese Räumlichkeiten zu klein und der Bau einer eigenen Kirche zur Notwendigkeit. Der Tag der Grundsteinlegung war daher für die protestantische Kirchgemeinde ein freudiges Ergebnis.

Herr Dinner, Basel begrüsste die grosse Festversammlung, die Vertreter der Gemeinde- und der katholischen Kirchenbehörden. In beredten Worten gab er seiner Freud über das entstehende Werk und das bekannt sehr gute Einvernehmen in Reiden Ausdruck. Er dankte allen, die beigetragen haben, den Bau der Kirche zu ermöglichen, vorab auch den Gemeinden, dem Kanton und Bund für die Subventionen, ohne die der Bau der Kirche wohl trotz der verdankenswerten reformierten Kollekte des gesamten protestantischen Schweizervolkes in absehbarer Zeit nicht möglich gewesen wäre. Herr Professor Vischer, Präsident des protestantischen Hilfsverein Baselhielt die, auch für Andersgläubige sehr eindrucksvolle Weiherede. Er betonte, dass der Bau ein Gotteshaus sein soll da die im Kampfe der Welt getrennten Menschen einigt. Dass in diesem Gotteshause Jesus Christus als die endgültige Offenbarung verkündet werden soll. Diese Tatsache verdient umsomehr hervorgehoben zu werden, da bekanntlich in andern Ländern die Kirchen systematisch zerstört werden. Das von der ganzen Gemeinde gesungene: Grosser Gott, wir loben Dich leitete zum eigentlichen Weiheakt über. Herr Pfarrer Kölbing, Basel, der uns allen als ehemaliger Pfarrer und Mitglied unserer Schulpflege in bester Erinnerung steht, verlas die von ihm verfasste, zur Einmauerung bestimmte Grundsteinurkunde, die den Werdegang der heutigen blühenden reformierten Kirchgemeinde darstellt. Während von der katholischen Kirche her feierlich die Glocken klangen, wurde diese Urkunde nebst vielen andern Dokumenten, Münzen und Marken nach alter Sitte und Brauch im einem eisernen Behälter verschlossen und in den Grundstein eingemauert, um wenn sie wieder einmal ans Tageslicht kommen, einer spätern Generation von unsern Taten und Werken zu erzählen. Auf den Grundstein begleiteten sechs Vertreter des Baues ihre Hammerschläge mit folgenden Worten:

  • Herr Prof. Vischer: 1. Kor. 3, 11: Einen andern Grund kann niemand legen ausser dem der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 2. Hebr. 13, 8: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. 3. Matth. 24,35: Jesus Christus spricht: Himmel und Erde werden vergehen aber meine Worte werden nicht vergehen.
  • Herr Präs. Dinner: Dein Name werde geheiligt, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel.
  • Herr Chefarchitekt Krebs: drei Worte die das Vertrauen, die Wahrheit und die Schönheit als Grundlage des Baues betrafen.
  • Herr Arch. Margstahler: 1. Wir Arbeiter am Bau bitten Gott um seinen Segen beim Bau dieses Gotteshaues. 2. Wir bitten ihn, uns zu helfen, sein Haus würdig zu vollenden. 3. Wir bitten ihn, uns vor Unfall und Schaden zu bewahren.
  • Herr Präs. Zürcher: Gib Glaube, gib Friede, gib Sehen.
  • Herr Pfarrer Ernst: Unsere Kirche bestehe im Namen Gottes und des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. Amen

Der eingemauerten Kassette wurden beigelegt:

  1. Eine Bibel
  2. Gemeindeverordnung und Wahlordnung
  3. Ein Jahrbuch Gemeindeblatt
  4. Jahresbericht und Protokoll des Hilfsvereins.
  5. Jahresbericht und Protokoll des Diasporaverbandes.
  6. Amtsrechnung der Gemeinde Reiden (politische).
  7. Jahresbericht und Rechnung der ref. Kirchgemeinde Reiden.
  8. Eine geschichtliche Darstellung der Kirchgemeinde und des bisherigen Baues.
  9. Mitgliederverzeichnis des Kirchenvorstandes, der Baukommission und des Kirchenchores.
  10. Taufbüchlein.
  11. Die Urkunde verfasst von Herr Pfarr. Kölbing auf Pergament geschrieben mit Tusch.
  12. Zwei Hefte des Wiggertaler Heimatschutzes.
  13. Volkskalender für die reformierte Schweiz.
  14. Der Aufruf zur Konfirmandengabe 1931 für das Pfarrhaus.
  15. Tagesblätter: Luzerner Nachrichten, Oberwiggertaler (Zofinger Tagblatt?) Luzerner Neuste Nachrichten, Neue Zürcher Zeitung, Bund, Nationalzeitung, Basler Nachrichten, sämtliche vom 26. September 1937.
  16. Münzen zu Fr. 5.--, 2.--, 1.--; Rappen 50, 20,10, 5, 2, 1. Dazu ein Wehranleihefünflieber.
  17. Gestempelte Marken zu Fr. 10.--, Fr. 5.—und kleinere Werte.
  18. Vorschriften für die Verdunkelungsübungen.
  19. Bericht der gewerblichen Fortbildungsschule.
  20. Bittbrief der Sammelaktion, für den Kirchenbau und für die Kinderlehrgabe des Hilfsvereins.
  21. 2 Photos vom angefangen Bau.
  22. Das Programm der Grundsteinlegung genau korrigiert.

Den Inhalt der Urkunde lassen wir nachstehend im Wortlaut flogen:

Im Namen Gottes, des Allmächtigen, und im Namen Jesu Christi, des alleinigen Herrn unsrer evangelischen Kirche!
Am 26. September des Jahres 1937 wurde diese Urkunde feierlich in den Grundstein unsrer reformierten Kirche in Reiden versenkt. Sie soll nebst den im Anhang angeführten Urkunden und Ereignissen, die zum Bau dieser Kirche geführt haben.

Im Sommer 1901 wurde in Reiden eine Sonntagsschule von Fräulein Kilchenmann begonnen. Zur Weihnachtsfeier dieser Sonntagsschule fanden sich zum ersten Mal die Reformierten von Reiden, Wikon und Langnau festlich zusammen. Aus dieser Sonntagsschule, für die die Mittel durch freiwillige Sammlung aufgebracht wurden, ging im Jahre 1912 der Protestantenverein Reiden hervor. Sein tatkräftiger Präsident, Herr Postverwalter Bertschi, konnte den losen Verein im Jahre 1918 fester zusammenschliessen, als es galt, für die immer zahlreicheren Evangelischen Gottesdienst und Religionsunterricht einzurichten. Man wandte sich an das benachbarte Brittnau, dessen Pfarrer sich zum Dienst an unsrer Diasporagemeinde bereitfinden liess. 1919 entschloss man sich mit Dagmersellen gemeinsam die kirchliche Versorgung der beiden Kirchgemeinden zu erstreben. Der protestantische-kirchliche Hilfsverein Basel übernahm das Patronat über die beiden Gemeinden. Ohne ihn wären sie noch jahrzehntelang unversorgt geblieben. Am 4. Mai 1919 wurde Rudolf Linder, Vikar in Sursee, als erster reformierter Pfarrer von Reiden-Dagmersellen eingesetzt. Von 1921 bis 1935 amtete Pfarrer Bernhard Kölbing, von da an Pfarrer Alfons Ernst.

Der ursprüngliche Plan, für beide Gemeinden eine gemeinsame Kirche zu bauen, erwies sich als undurchführbar. So steuerten beide Gemeinden getrennt auf das gleiche Ziel los. Während Dagmersellen schon 1926 das ersehnte Ziel erreichte, zu dem Reiden tausend Franken beisteuerte, musste dieses sich länger gedulden. Ihm stand aber der schöne Gemeindesaal zur Verfügung, was dem Gemeinderat von Reiden unvergessen bleiben soll.

Der 1. Januar 1927 brachte den evangelischen Kirchgemeinden des Kt. Luzern die staatliche Anerkennung als öffentlich rechtliche Körperschaft und damit das Steuerrecht. Dadurch wurde unsere Gemeinde auf eine solide finanzielle Grundlage gestellt. Die evangelisch reformierte Kirchgemeinde Reiden wurde aus allen Evangelischen der politischen Gemeinden Reiden, Wikon, Langnau, Richenthal und Pfaffnau gebildet. Sie zählte ungefähr 1600 Seelen.

Schon 1921 wurde ein Kirchenbaufonds gegründet, dem sich 1927 ein Glockenfonds zugesellte. Eine monatliche Sammlung liess ihn stetig wachsen. So konnte unter der geschickten Initiative des Krichgemeindepräsidenten Grossrat Kunz im Jahre 1927 ein grösseres Terrain für den Bau der Kirche erworben werden. Da die Pfarrwohnungsfrage immer bedrohlich blieb, entschloss man sich unter tatkräftiger Hilfe des Basler Hilfsvereins im Jahre 1928 zum Pfarrhausbau unter gleichzeitiger Erstellung vorläufiger Pläne für die Kirche. Das Projekt des Architekten Armin Meili in Luzern wurde im Sommer genehmigt, am 4. September mit dem Bau begonnen und am 1. Mai 1929 das Pfarrhaus bezogen. Die Kosten betrugen 60200.-- Franken, von denen 22500.-- durch die Konfirmandengabe von 1932 gedeckt wurden. Am 32. Dezember 1936 war der letzte Rappen der Bauschuld getilgt. 4000.-- Franken dieser Schuld hatte die Kirchgemeinde Dagmersellen gemäss Anteil an der Pastoration übernommen.

Trotz der grossen Opfer für das Pfarrhaus wuchs der Kirchenbaufonds stetig. So konnte die Kirchgemeinde im Herbst 1936 an den Kirchenbau herantreten. Die Umarbeitung der vorläufigen Pläne von 1928 wurde Architekt Krebs in Luzern übertragen. Der Beschluss der Abgeordnetenkoferenz der protestantisch-kirchlichen Hilfsvereine der Schweiz vom 29. Juni 1937 sicherte uns die Reformationskollekte dieses Jahres zu, die Kinderlehrversammlung zu Gunten unsrer Glocken. Der Kirchenbaufonds betrug Ende Dezember 1938 trotzdem die Gemeinde 32100.-- Franken für den Pfarrhausbau und 7500.-- Franken für den Strassenbau und Kanalisation aufbringen musste, 38000.-- Franken. Dazu kamen Subventionen von politischen Gemeinden, Kanton und Bund. So wird die projektierte Bausumme von 195000.-- Franken unsere Gemeinde nicht unerträglich belasten mit Schulden.

Zur Feier der Grundsteinlegung wurden eingeladen:

Der protestantische Hilfsverein Basel, der Vorstand und die Mitglieder unsrer Kirchgemeinde, der Vorstand der reformierten Kirchgemeinde Dagmersellen, der Gemeinderat der politischen Gemeinde Reiden, die Vertreter der römisch-katholischen Kirchgemeinde Reiden, und deren Pfarrer, die Vertreter der Schule, die Architekten, die den Bau ausführenden Baumeister. Die Namen der Behörden und der bisher am Bau beteiligten Unternehmer sind im Anhang.

In besonders schwerer Zeit legen wir den Grundstein zu unsrer Kirche. Im benachbarten Deutschland ringen evangelische und katholische Kirche mit einem christusfeindlichen Staat um ihre Existenz. Im nahen Spanien und im fernen China toben Kriege, deren Ausgang nicht abzusehen ist. Unsre Welt starrt in Waffen. Auch in unserm Volk haben weite Kreise Kirche und Christentum den Rücken gekehrt. Auch wir stehen im Kampf gegen die gottfeindlichen Mächte der Welt.

Darum soll diese Kirche, deren Grundstein wir heute legen, auf dem „einen Grund ruhen, der gelegt ist“: Jesus Christus! Aus dieser Kirche soll die eine Botschaft in die Welt hinausgerufen werden: Christus der Herr und Erlöser! In diesem Gotteshaus sollen sich unsre Gemeindeglieder immer wieder in der einen Bitte vereinen: Dein Reich komme! Hier sollen sich unsre und die kommenden Generationen stärken zu „dem Kampf, der uns verordnet ist“ in der Gewissheit: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herr Jesus Christus“.

Möge diese Botschaft uns und unsern Nachkommen Kraft und Trost, Halt und Zuversicht verleihen! Möge diese Urkunde, wenn sie das Tageslicht wieder erblickt, ein Geschlecht finden, das in Jesus Christus seinen einzigen Herrn und in Gott, unserm Vater, seinen einzigen Trost im Leben und im Sterben findet, und das fleht und ringt, dass sein Reich komme und Gott sei alles in allem!

Möge unsre Kirche der Ort sein und bleiben, da diese Botschaft ausgerichtet werde von Geschlecht zu Geschlecht!

Das walte Gott! Amen.

Die Kirche kommt direkt neben das Pfarrhaus zu stehen. Ihr „Käsbissenturm“, als neues Wahrzeichen unserer Ortschaft, wird durch einen Hallenbau mit dem Pfarrhaus verbunden und zu einem einheitlichen, eindrucksvollen Ganzen vereinigt.

Die Feier nahm, ihrer hehren Bedeutung gemäss, einen erhebenden, würdigen Verlauf und wir allen, die ihr beiwohnten, in unvergesslicher Erinnerung bleiben. Vorträge der Musikgesellschaft Reiden, des Männerchors Reiden und des protestantischen Kirchenchors verschönten den Anlass in angenehmer Wiese. Der Grundstein zur neuen Kirche ist in einer besonders schweren, schicksalsschwangern Zeit gelegt worden. Möge das neue Gotteshaus als Symbol des Friedens und Sichverstehens zum Segen unserer Talschaft werden.

Luzerner Nachrichten Reiden, 2. Okt. 1937