Spuk in Reiden
Aufzeichnungen von Hans Marti
Die nachfolgend geschilderten Spukgeschichten wurden mir in freundlicher und sehr Verdankens werter Weise von Hans Zimmerli-Hediger, Kommendestrasse 1, Reiden, erzählt. Getreu seinen Ausführungen werden sie hier wiedergegeben. Der Erzähler entpuppte sich als ein bester Kenner solcher Welten. Allem Anschein nach zu schliessen geht Zimmerlis Ader auf seinen Vater zurück, der in diesen Dingen ebenfalls bestens daheim war.
Das "unghüürige, Sertelgebiet"
In dieser Gegend (östlich von Reiden) spukte es einst öfters und recht verschiedenartig, wohl nicht zuletzt deshalb, weil dort hinten ehedem eine Burg gestanden hatte. Frühere Bewohner von ihr mussten „wandeln“. Im Sertelgebiet gibt es auch das Antoni-Loch und das Sonne-Lonzi-Loch. Es waren in den Sandfelsen gehauene Löcher, vielmehr Höhlen, in denen Leute wohnten. In der ersteren soll Anton Cheigel gehaust haben, in der zweiten der Sonne-Lonzi.
Das weisse Wölklein über dem See
In der Nähe des Sonne-Lonzi-Loches habe sich früher ein Seelein befunden. Seertel - einst so geschrieben - lasse immer noch darauf schliessen. Sowohl der Cheigel Anton wie der Sonne-Lonzi könnten Waldbrüder gewesen sein. Einer von beiden soll einen „gewissen Umgang“ mit einer Jungfer gehabt haben, offenbar mit ungereimten Folgen. Diese sei hierauf vom Eremiten in das Seelein gestossen worden, wo sie ertrunken sei. Nachher sei immer so ein weisses Wölklein über dem See gewesen, betonte unser Erzähler. Er ergänzte noch, dass sich das verbrecherische Vorkommnis vielleicht auch bei der Weihermatte zugetragen habe. Diese befindet sich etwas weiter vorne. Jedenfalls lässt der Name darauf schliessen, dass es hier einst einen Weiher gab.
«Schufle, Haue, Pickel…»
Oben am Schlosshubel, in Richtung Finkenboden, machte sich noch ein anderes Gespenst in rätselhafter Weise bemerkbar. Laut vernehmlich habe dieses immer gerufen: «Schufle, Haue, Pickel…», während man weiter nichts von ihm wahrgenommen habe. Die sonderbaren Äusserungen hätten verschiedene Leute, besonders nächtliche Heimkehrer, gehört. All dieser Spuk sei heute im Sertel wie weggeblasen, ergänzte Hans Zimmerll, als ich noch mehr darüber vernehmen wollte.
Die unerlöste böse Schlossjungfer
Die eingangs erwähnte Burgstelle wird heute allgemein als Schlosshubel bezeichnet Von der Burg selber finden sich immer noch verschiedene Spuren im Boden. So sieht man ein künstliches Erdwerk mit einem runden Höcker und in dessen Mitte ein rundes Loch. Als in seiner Nähe in den 1920er Jahren Hölzer ihrer Arbeit oblagen, hätten sie über Gespenstervorstellungen phantasiert. Einer von ihnen habe halb im Spass, halb im Ernst zu einem der andern gesagt: «Was würdest du machen, wenn jetzt die Schlossjungfer käme?» Einer doppelte nach: «Ohne Angst zu haben, würde ich furcht- und bedenkenlos in dieses Loch gehen und mich dort hinlegen.» Er ging aber nicht… es war allen bekannt, dass hier ein böses Schlossfräulein «wandeln» musste. Etwas weiter vorne befand sich einst ein Sandsteinbruch. Als dort einmal zwei oder drei Männer mit Sandmottenbrechen beschäftigt waren, hörten sie unversehens im Wald droben, beim Schlosshubel, «so ein schauderliches Brieggen». Die Arbeiter gingen diesen Tönen nach, um zu schauen, was dort los sei. Bald bemerkten sie eine Fee im Walde. Sie sagte zu den Männern, dass sie hier schon seit langer Zeit «wandeln» müsse und sprach die flehentliche Bitte aus, dass sie, die Männer, heute Abend hierher kommen sollen. Jeder müsse mit ihr dreimal tanzen, dann sei sie erlöst. Hierauf zogen die Burschen heim, überlegten sich die Sache, waren aber willens, dem Wunsche der Fee nachzukommen. Vorgängig gingen sie jedoch zum Pfarrer, um ihn in das Anliegen der Fee einzuweihen. Hierauf habe ihnen dieser die Absolution gegeben, den Segen erteilt und dann gesagt, sie sollen jetzt nur getrost gehen, das sei doch gewiss nichts. Die drei zogen von dannen, zum bevorstehenden Abenteuer. Wie sie in die Nähe des Platzes kamen, wo sie am Nachmittag die Fee gesehen hatten, habe es «gstürmt, gmacht undbäset», dass sie einfach keinen Schritt mehr weitergehen konnten. Alle Anstrengungen blieben umsonst. Darauf kehrten die Burschen um, und gleich hörten sie die Schlossjungfer traurig seufzend klagen: «Jetzt muss ich wieder 100 Jahre warten, bis ich erlöst werde.»
Das Sterbekreuzchen und der schwarze Hund
In Reiden, in der sogenannten Weibelhütte, wohnte Hans Zimmerlis Urgrossmutter mütterlicherseits. Von ihren Angehörigen hatte sie den Auftrag bekommen, ein Sterbekreuzchen zu einer im Ende liegenden Frau im Oberdorf zu bringen. Um zu diesem Haus zu gelangen, war ein Brücklein über den Bach zu überschreiten. Wie die Urgrossmutter das tun wollte, versperrte ihr ein riesiger, schwarzer Hund den Durchgang. Zuerst wollte sie ihn mit Worten wegjagen, was nichts nützte. Hierauf «putzte sie ihm eines mit dem Schuh». Doch vom gleichen Augenblick an tat ihr der Fuss grausam weh, und sie konnte fast nicht mehr weitergehen. Unter grossen Schmerzen gelang es ihr jedoch, das Kreuzchen zur Sterbenden zu bringen, die bald darauf friedlich hinüberschlummerte. Weiterhin konnte sich aber die Urgrossmutter wegen gewaltigen Schmerzen fast nicht mehr fortbewegen, auch am andern Morgen noch nicht. Folglich geleitete man sie hin zum Pfarrer. Dieser habe dann ein Gebet verrichtet, sie gesegnet, und augenblicklich seien die Gebresten verflogen. Das soll ungefähr in der Mitte des letzten Jahrhunderts vorgekommen sein. Und die Urgrossmutter, so Hans Zimmerli, habe des Ottern gesagt, dass dieses Vorkommnis «pure Tatsache» sei.
Die Scheune ohne «Spinnhuppelen»
Um 1940 herum brannte auf dem Letten (bereits im Dagmerseller Gemeindebann) eine Scheune nieder. Als Reider aus der Nachbarschaft dorthin eilten, um rettend zu helfen, hätten sie im nahen Wald, unweit der Scheune, «etwas unghüüre Cheibs, etwas Rüüdiges, es cheibe Untier oder so etwas» gesehen. Offenbar war dieses unheimliche Wesen wegen des Brandes aus der Scheune hierher entflohen. In ihr, das wurde man erst jetzt richtig gewahr, hätte es nie «Spinnhuppelen» (Spinnennetze) gegeben; etwas, das normalerweise gar nicht denkbar ist. Wenn es diese nicht habe, so Hans Zimmerli, sei das kein gutes Zeichen.
Der Manikopf
Das sogenannte Hölzli im Reidermoos sei früher eine Buchslandschaft gewesen. Eine arme Familie habe dort ein wenig Land bekommen, um darauf ein Häuschen zu bauen, das mit dem Abholz der Kirche errichtet werden konnte. Im Umfeld dieses Wohnplatzes habe man öfters zu nächtlicher Stunde einen Mann ohne Kopf gesehen, den man Manikopf nannte.
Der Dreiträmpler
Verschiedene Leute sagten immer wieder, dass es im Gsteing droben «unghüürig» sei. Nachts höre man dort ein Gespenst im Dreitakt, im Rhythmus tä – tä - tä, tä – tä - tä, herumlaufen.
«Wo muess ene setze?»
Zeitlich gar nicht so weit zurück gab es im Unterdorf Reiden, Richtung Wikon/Brittnau, zahlreiche Wässermatten. Wie üblich, wenn die Wässerkehr einem Bauern zustand, mussten die Pritschen gezogen, neu gesetzt und vielleicht auch die Gräben etwas herausgeputzt-werden-Um eben auch diese Arbeit zu verrichten, begab sich gegen den Abend hm ein Ahne von Hans Zimmerli mit Schaufel und Hacke («Haue») in seine Wässermatte. Wie es langsam zu dunkeln anfing, hörte er von östlicher Seite jenseits der Strasse, dort wo sie nach Wikon-Oberdorf abzweigt, laut vernehmlich immer wiederkehrend: «Wo muess ene setze? Wo muess ene setze?» Als das nicht aufhören wollte, begab sich unser Wassermann in die Rufrichtung, sah aber niemanden, vernahm hingegen immer wieder den gleichen Ausspruch: «Wo muess ene setze?» Bereits wollte ihm das Weitergehen verleiden, und er rief in die Nacht hinaus: «Dumme Cheib, dert wot e ghoh hesch!» Unversehens stand jetzt eine kreideweisse Gestalt vor ihm und sprach den Wässermann an mit den Worten, dass sie einst hier einen Markstein versetzt habe, welcher längst wieder an seinen richtigen Platz sollte. Dieser sei hier, ergänzte darauf die Gestalt und ersuchte den Wassermann, da ein Loch zu graben und den Stein zu setzen. Dieser kam dem Wunsche mit unguten Gefühlen nach. Zum Ausführenden sagte sie hierauf, er solle ihr nun doch die eine Hand geben, was er sich aber nicht getraute. Nun bat die Gestalt, er möge ihr doch mindestens den Schaufelstiel hinreichen, was zögernd geschah. Die Gestalt sagte: «Jetzt bin ich erlöst, du aber wirst in einem Jahr sterben. Zuerst wirst du scheintot sein. Du erholst dich aber davon, jedoch in einem Jahr wird dein Leben verwirkt sein.» Das traf genauso ein. An der Stelle im Schaufelstiel, wo ihn das Gespenst berührt hatte, war die Hand ganz schwarz eingebrannt. An den Ort neben dem Markstein wurde später ein «Helgestöckli» gestellt, das heute nicht mehr steht.
Begegnung mit Verstorbenen
Pfarrer Josef Grossmann, früher m Reiden tätig, hatte eine höchst eigentümliche Begebenheit erlebt. Er hat mir diese, wie nachfolgend festgehalten, geschildert.
Es war 1945, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich war mit dem Einzug für die Inländische Mission beschäftigt. Dabei kam ich in meiner Pfarrei unter anderm auch zu einer jungen Familie mit zwei Kindern, die vor kurzem in ein kleines Häuschen gezogen war. Hier wohnte im obern Stock eine alte Frau, und diese wollte ich eigentlich besuchen. Doch bevor ich die Stiege zu ihr emporgehen konnte, hielt mich die junge Frau, die mich gesehen hatte, zurück und sagte: «Herr Pfarrer, kommen Sie in unsere Stube, ich muss Ihnen etwas Wichtiges erzählen.»
Sie bot mir einen Stuhl an und begann weinend: «Herr Pfarrer, wir sind vor wenigen Wochen in dieses Haus gezogen, aber wir müssen es mit unsern beiden Kleinkindern wieder verlassen.» «Ja, warum denn?» fragte ich. «Es geistert im Haus», war die Antwort. «Wie macht sich das bemerkbar?» forschte ich gleich weiter. «Fast jeden Abend, so gegen 12 Uhr, höre ich die Frau, die jahrelang hier gelebt hat, in der Küche herumgehen. Sie zerbricht <Bürdali-Knebel> (Knebel in Reiswellen), geht zum Feuerherd, dann macht sie sich auf, um die Stubentüre zu öffnen, öffnet sie aber nicht. Sehen Sie: Meine zwei Kleinkinder sind so nervös, sie schlafen nicht mehr, sie weinen nicht, aber sie schreien. Es ist kein natürliches Kinderweinen mehr. Mein Mann lachte mich zuerst aus, er sagte sogar: <Du spinnst, du bildest dir das ein!> Hierauf musste ich ihm den Ablauf einer so quälenden Nacht erzählen. Zum Schluss meinte er: <Sag das aber niemandem, wenn solches etwa meine Turnkollegen vernähmen, würden sie alle laut herauslachen.»> Die Frau schilderte mir dann weiter: «Zu meinem abendlichen Beten mit den Kindern gehören auch die Fünf-Wunden-Vaterunser für die armen Seelen. Ausserdem, wenn der Hofhund in der Nachbarschaft nachts um 11.30 Uhr herum zu bellen beginnt, dann weiss ich, jetzt bleibst du schlaflos, bald geht es nun los. Weil übermüdet, erwachte ich vor 2 Wochen etwas später, zündete das Licht an und sah meinen Mann im Zimmer auf den Knien. Er betete mit zertanen Armen den Rosenkranz. <Ich werde dich nie mehr auslachen wegen den Verstorbenem, waren die ersten Worte meines Gatten.»
Unterdessen hörte ich (der Erzähler) schon lange, wie die zwei Kinder im Zimmer weinten. Die Frau bemerkte hierauf zu mir: «Jetzt kommen Sie, Herr Pfarrer, ins Zimmer der Kinder, um mit ihnen etwas zu beten.» Wie ich in der Tür stand, erfolgte ein so heftiges Geschrei, dass ich in den Gang zurücktrat, das Rituale öffnete, betete und das Zimmer reichlich mit Weihwasser segnete.
Ich höre dieses unnatürliche Schreien heute noch in meinen Ohren. Vorerst glaubte ich, die Kinder seien wegen einer Person, die sie noch nie gesehen hatten, dermassen erschrocken; sie täten «fremden», wie man im Volksmund sagt. Nachdem ich den Haussegen über alle Räume gesprochen, sie reichlich mit Weihwasser besprengt und den Kindern das Kreuz auf die Stirne gezeichnet hatte, verliess ich das Haus Gott empfohlen.
Vorgängig hatte ich mit der Frau abgesprochen, dass, wenn der Spuk nicht aufhören sollte, mir durch ein Schulmädchen der Nachbarfamilie ein brieflicher Bericht zugestellt werde. Wirklich erhielt ich bereits wenige Tage später, während ich Religionsunterricht erteilte, den besagten schriftlichen Bescheid. Darin stand, von der Frau geschrieben: «Vier Tage hatten wir Ruhe, und nun geht es wieder an.» Pfarrer Grossmann konnte das kaum fassen. Kurze Zeit darauf begab er sich wieder in das Geisterhaus. Und wieder wurde ihm erzählt, dass es genau gleich wie vordem spuke.
Unterdessen musste die Geschichte bereits da und dort ruchbar geworden sein. Dass solche Dinge bekanntlich rasch die Runde machen, ist nur zu begreiflich. So kam da auch ein auswärtiger Besucher zu den Nachbarn der geplagten Familie. Diese und der Besucher waren übereingekommen; an Winterabenden gelegentlich einen Jass zu klopfen. Dazu wurde Most getrunken, und man unterhielt sich auf gemütliche Art. Während eines solchen Gesprächs flocht unversehens der Besucher ein: «Habt ihr auch gehört, eure Nachbarsfamilie <spinnt>? Sie hört während der Nacht Leute, gestorben sind!» Man lachte darob laut auf. Das Kartenspiel ging weiter. Unversehens klopfte es heftig an die Haustüre. Man öffnete, aber niemand stand draussen. Der Besucher und Spötter war so betroffen, dass er gleich aufstand und das Haus verliess.
Pfarrer Grossmann hatte unterdessen das, was er selber erlebt hatte und was ihm die Familie erzählt hatte, seinem geistlichen Mitbruder, Kaplan Marbet, anvertraut. Dieser sei ein ganz nüchterner Mann gewesen und solchen Dingen skeptisch bis ungläubig gegenübergestanden Er bemerkte sogar: «Wenn nicht Du mir das erzählen würdest, dann schenkte ich der ganzen Geschichte keinen Glauben!» Pfarrer Grossmann bat Kaplan Marbet, das die Familie so schwer drückende Anliegen ins Messopfer einzuschliessen.
Dennoch kam die Sache nicht zur Ruhe. Deshalb entschloss sich diesmal der Reider Pfarrherr, aufs Ganze zu gehen. Er begab sich zu einem Priesterfreund, der in einem Kloster Spiritual war, schilderte ihm das aussergewöhnliche Vorkommnis und ersuchte ihn, eine Novene (neuntägige katholische Andacht) mit dem Konvent (Versammlung der Klosterinsassen) zu halten und selber neun heilige Messen für die Verstorbenen zu beten. «Mein Kaplan und ich taten dasselbe», ergänzte Pfarrer Grossmann. Dann fuhr er fort: «Am letzten Tag der Novene suchte ich die Familie auf, um mich zu erkundigen, wie es ihr gehe. Die Frau und ihre Kinder strahlten. Auch der Mann zeigte sich äusserst dankbar, denn der Spuk war endgültig vorbei.»
Der nach seinem Tod erschienene Grossvater
Pfarrer Josef Grossmann wurde vor vielen Jahren noch ein anderes mysteriöses Ereignis kundgemacht. Er war wiederum in Reiden unterwegs, einerseits, um jemandem das Sterbesakrament zu spenden, andererseits aber, um für die Inländische Mission Gaben zu sammeln. Da sagte ihm eine Frau, deren Schwiegervater nicht weit zurückliegend gestorben war: «Wir haben noch ein wichtiges Anliegen an Sie», und erklärte es dann gleich mit folgenden Worten: «Tue Sie de no zwe Masse läse. Eusi zwöi Meitschi göi nümme über-ue go schlofe, losezi, de Grossvater erschiint ne immer. Sie gseh’ne genau so, wie’när im Sarg ‚gläge isch, mit Blueme umrandet, e soo wie daä im Zimmer gstande isch. Die Chind traue sich einfach nümme, i ihn Chammere z’go.» Es handelte sich bei ihnen um 12- bis 14jährige Mädchen. Nachdem der Pfarrer das vernommen, entgegnete er, sie sollten für den Heimgegangenen viel beten, besonders den Rosenkranz (gemeint waren damit die Familienangehörigen), gerade jetzt, da ja Allerseelenzeit sei. Etwas später läutete ihm die Frau an und meldete: «Jetz isch es verbii, si merke nümi.»
Die vom Pfarrer gebannten Altkatholiken
Als sich nach dem Ersten Vatikanischen Konzil die Altkatholiken von der römischen Kirche abspalteten, gab es von ihnen auch einige in Reiden. Diese hätten mit dem damaligen Pfarrer in argen Spannungen gelebt. Um ihn offensichtlich zum Narren zu halten, stiegen ein paar der Altkatholiken zum geistlichen Herrn auf die Kommende und meldeten ihm, er solle ins Dorf kommen, um jemanden zu «verwahren» (einem Schwerkranken die Sakramente spenden). Der Pfarrer traute der «Botschaft» dieser Männer nur halb, ahnte, was sie im Schilde führten und sagte auf das bestimmteste: «Bleibt jetzt da stehen, und ich gehe selber hin, um zu schauen, was an der Sache ist!» Er tat so und musste nur zu bald feststellen, dass es sich hier um einen makabren Scherz handelte. Auf die Kommende zurückgekehrt, las er den unverschämten Köpfen die Leviten und sagte zum Schluss in gereiztem Ton: «Geht nun und schämt Euch ganz gehörig!» Erst jetzt konnten sich die Kerle von der Stelle, wo sie gebannt gestanden hatten, wieder lösen. Diesem Pfarrer soll man «rüüdige Kräfte in dieser Richtung» nachgeredet haben, wusste Hans Zimmerli beizufügen.