Johanniter Kommende |
Reidens Geschichte ist eng verknüpft mit seinem eigentlichen Wahrzeichen, der Johanniter Kommende. Der heutige Bau reicht allerdings nicht ins Mittelalter zurück, sondern stammt aus dem 17./18. Jahrhundert. Ursprünglich soll auf dem 39 Meter hohen Kommendehügel, der sich kegelartig inmitten des Dorfes erhebt, die kleine Burg der Edlen Walter und Ulrich von Reiden gestanden haben. Die alte Grosspfarrei Reiden befand sich 1275 im Besitz der Herren von Ifenthal. Der Twing Reiden war damals bereits geteilt, wobei die eine Hälfte Markwart von Ifenthal innehatte. Die andere gehörte der Grafschaft Willisau und kam mit dieser 1407 an Luzern. Um 1280 übernahm der Johanniterorden den Sitz. Über Jahrhunderte gewährten die Glaubensverbundenen Johanniter den nach Jerusalem pilgernden Christen Unterkunft. Das Ordenswappen der Johanniter (nach ihrer Flucht nach Malta nannte man sie auch Malteser), ein achteckiges Kreuz, hat auch im Gemeindewappen von Reiden seine Spuren hinterlassen. Sie umfasst heute noch zwei selbständige, in stumpfes Winkel zueinander liegende Gebäude. Zwischen diesen befand sich im freien Hof die dem heiligen Johannes geweihte ehemalige Kirche. Genannt obere Kirche, sie war die eigentliche Pfarrkirche. 1391 wurde sie erweitert und ein Friedhof eingerichtet. Der erste Komtur Degenhard wird 1284 erwähnt. Bis etwa 1330 hing Reiden von der Kommende Thunstetten ab, ab 1331 vom Komtur von Klingnau. 1342-1440 dürfte die kleine Kommende eine gewisse Selbstständigkeit genossen haben (eigenes Siegel). Um die Mitte des 15. Jh. kam sie zur Kommende Leuggern, 1472 bis zur Aufhebung 1807 zur Kommende Hohenrain. Die Reformationszeit war den Ordensniederlassungen ungünstig, Ritter gab es keine mehr, nur noch Komture und Geistliche. Reiden und Hohenrain standen 1523 bis 1542 leer. 1532 sind erstmals Vögte erwähnt, die im Auftrag des Luzerner Rats die Kommende beaufsichtigten. 1552 erfolgte in Reiden ein schwerer Diebstahl aller Kleinodien. Auf Bautätigkeit lassen die Daten 1531 am Wappenstein über dem Hofportal und 1550 am Wandtresor im Erdgeschoß schließen.
Unter den Komturen der Barockzeit ist der Luzerner Franz von Sonnenberg (1608-1685) als wichtige Persönlichkeit zu nennen.
Um 1700 erfolgte ein eingreifender Umbau der Kommende, wofür nicht nur der Visitationsbericht von 1706, sondern auch das Gebäude selbst Zeugnis ablegt. Über die innerhalb der Kommende gelegene Kirche St. Johannes des Täufers fehlen bis 1391 Belege, doch wurde sie ohne Zweifel mit dem Ritterhaus gegründet.
StAL, Johanniterarchiv, Ms. 5, Visitationsbericht von 1706 unter Komtur Urs Heinrich von Roll ist zu entnehmen: Die Kirche der Komturei «ist gerad über dem Commenderie haus und ann denen rinkmauren gelegen». Sie wurde durch neue größere Fenster und einen neuen Plattenboden verbessert. Zum Inventar gesellten sich ein Kelch von weiland Komtur von Roll, ein neues Ziborium, zwei hölzerne vergoldete Engel und eine Statue des hl. Antonius von Padua. Die Kommende wurde umgebaut, das Obergeschoss bewohnbar gemacht. Der Komtur liess das Haus «so wohl unden als oben belegen undt nebem einem Salett und darahn einen Diener Cämmerlein in fünf Zimmern auftheilen und einrichten, dar zu auff einer sowohl als ander seithen newe grosse auff einander corrispondierende fensteren einbrechen, diese mit ausgehawenen quadratstein, so dan mit nötige Fenstern, thüren, laden, beschlagen undt sonst ändern nothwendigkeiten versehen lassen. Die Zimmern seindt allerseiths mit schöner gibsarbeith und respective mit italianischen Caminen ausgeziehret, wie dan auch seine hochw. Und gnaden der meliorierende Hr. Commendeur so wohl in dem Salett einen grossen von weiß und blaw verblümbten als in dem neben Zimmer einen grünen und etwas geringem Stubenoffen auff führen, zu dieser tignation (Geschoß) eine schür fünf fueß breite italianische stegeausfertigen und den gang mit rothen ziegeln belegen lassen.» Unter der Ausstattung des Hauses werden folgende Bilder genannt: Die Bekehrung Pauli, die Bekehrung des äthiopischen Kämmerers, Josef von Potiphars Weib versucht, die Geschichte der keuschen Susanne, eine Muttergottes mit Wappen des Komturs von Sonnenberg, jetzt in der Kirche.
Das südliche zweigeschossige Gebäude mit gleichmässigen Fensterreihen enthält keine kunsthistorische wertvolle Innenausstattung. Es enthielt früher die Kaplanei. Es enthält nichts mehr, was mit dem Orden einen Zusammenhang haben könnte. An dieser Stelle stand vor 1813 nur ein kleines "Pfisterhäuschen", das schon 1528 erwähnt wird. Es war für die Knechte bestimmt. Daran schlossen sich die Gehege für Hühner, Schweine und das Brennholz an.
Der nördliche Kommendebau ist von rechteckigem Grundriss und weist zwei Geschosse auf mit steilem Satteldach. Die Haustüre, mit 1830 datiertem, hölzernem Oberlichtgitter, wird von einem breiten Vordach geschützt. Rechts von ihr ist an der Fassade die stark abgeschliffene Grabplatte des Freiherrn Urs Heinrich von Roll, Generalpräzeptor des Johanniterordens, gestorben 1714.
Im Innern sind die Räume stark verändert worden. Erhalten hat sich ein barockes Treppenhaus sowie im Obergeschoss ein gotischer Festsaal mit barocken Elementen aus der Zeit um 1700. Beim Umbau des Rittersaales stiess man auf die gotischen Fenster, die Komtur U.H. von Roll (1672-1744) hatte zumauern lassen. Das Prunkstück aber ist der 3,30 m hohe Kachelofen, ein rechteckiger zweigeschossiger Turm Ofen. Alle Flächen sind mit einem blauen Damast Muster überzogen, die Friese mit Phantasielandschaften, die Bekrönungskacheln mit Johanniterwappen, Wappen des Komturs U. H. von Roll und der Meisterinschrift "Friedrich Klentzy von Solothurn, 1701". Im Erdgeschoß ein sandsteinerner Wandtresor mit Eisentüre, übermalt. Im spitzbogigen Feld mit Datum 1550 eine Dreierwappengruppe, oben Luzern, unten Josef von Cambia und I H (unbekannt).
Über dem Burgtor befindet sich eine sandsteinerne Wappentafel, datiert 1531. In einem stichbogigen Rahmen fünf Schilde, begleitet von zwei keulenschwingenden Wildmännern. In der Mitte geviertetes Schild mit weggemeisselten Bildern, oben zwei einander zugeneigte Luzerner Schilde, unten zwei abgestockte Schilde, von denen der linke noch durch das Kreuz im Schildhaupt als Wappen des Komturs Josef von Cambia erkennbar ist.
Nach der Aufhebung des Johanniterordens (durch Napoleon) ging 1807 der gesamte Besitz der Kommend mitsamt der neuerstellten Pfarrkirche an den Staat Luzern über. Damit übernahm dieser aber auch die Verpflichtung zur Verwaltung, zum Unterhalt von Kirche und Kommende und zur Besoldung der Geistlichkeit. Folgerichtig wurden jetzt die Kommende zum Pfarrhaus und das Pfisterhäuschen zur Kaplanei umgebaut. 1813 wurde die Kirche der Stiftung abgebrochen, denn die Pfarrkirche von Reiden genügte den Bedürfnissen. Erst 1951 gingen sämtliche mit der Kommende verbunden Rechte und Pflichten an die katholische Kirchgemeinde von Reiden über.
In zwei Etappen wurden die Gebäulichkeiten umfassenden Restaurationen unterzogen. 1978 konnte das ehemalige Pfisterhaus als neues Pfarrhaus bezogen werden. Für das Hauptgebäude lautete die Zielsetzung, den Zustand um 1700 wieder herzustellen, dies geschah zwischen 1986 und 1989. Die Kommende steht heute in neuem Glanz, wohl schöner als sie es jemals war, stolz auf dem Hügel.
Nur vom Hörensagen ist bekannt, dass am Reider Kommendehügel schon im 19. Jahrhundert Reben wuchsen. Lange Jahre diente der sich gegen Süden und Westen neigende Hang als Schafweide. Seit April 2005 wachsen dank einem Pächterehepaar wieder Reben am Kommendehügel. Die Sorten Sauvignon Blanc und Zweigelt wurden im September 2006 zum ersten Mal geerntet. So hat die Johanniterkommende Reiden auch wieder ihren eigenen Wein.
Quellen: Adelheid Aregger, Adolf Reinle